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Leichte Sprache im Museum. Ein Gastbeitrag von Inga Schiffler

Wenn der Entschluss gefallen ist, ein barrierefreies Angebot in Leichter Sprache zu schaffen, stellt sich schnell die Frage: Wo anfangen? Oft ist der erste Schritt ein kurzer one pager auf der Website mit den wichtigsten Infos in Kürze. Doch: Ist das wirklich eine gute Idee? Eine Website soll Lust machen, das Museum zu besuchen. Wenn einen im Museum selbst dann aber nur Verstehensbarrieren erwarten, ist das enttäuschend. Das ist Werbung ohne Inhalt.

Ok, starten wir besser im Museum. Aber auch hier gibt es jede Menge zu überlegen: Soll es ein Audioguide werden? Oder Wandtexte? Oder doch lieber ein Begleitheft? Oder reicht das Budget sogar für mehrere Formate? Ist es zielführend, alle Informationen zu übertragen? Soll die Brückenfunktion gegeben sein? Sprich: Soll der Besuchende zwischen Ausgangstexten und Leichter Sprache hin- und herswitchen können?

Jede Frage führt zu weiteren Fragen. Schnell wird deutlich: Einfach mal schnell die Texte übersetzen, funktioniert nicht. Sollen die Inhalte ankommen, muss zunächst ein gut durchdachtes Konzept erarbeitet werden. Hier hat sich gezeigt: Am zielführendsten ist es, wenn dies Menschen aus verschiedenen Bereichen des Museums gemeinsam entwickeln – zum Beispiel in einem halbtägigen Workshop.

Erste inhaltliche Überlegungen

Geht es um den Inhalt, sollte ich mich zunächst fragen: Gibt es ein Überthema, dass sich durch das ganze Museum zieht? Dann ist eine lineare Führung angebracht, also eine feste Route für den Museumsbesuch. Ansonsten müsste ich im Prinzip an jeder Station von vorne beginnen. Denn ich weiß ja nicht, was die Besucher*innen schon gesehen haben. Zum Beispiel: Bei einem Museum über die Geschichte der DDR müsste ich jedes Mal Grundkonzepte wie Stasi, Sozialismus, Kapitalismus oder Kalter Krieg erläutern. Ich käme vor lauter Erklärungen gar nicht dazu, neue Dinge einzuführen. Sterbenslangweilig und absolut nicht zielführend.
Alternativ könnte man die Grundkonzepte auslagern, beispielsweise in ein Glossar auf Papier. Das bedeutet aber, dass man zwischen zwei Medien hin- und herwechseln muss. Das schaffen sicher nicht alle. Aus diesem Grund sagen die Netzwerk-Regeln, man solle Verweise vermeiden und alles direkt im Text erklären. Sind die Stationen unabhängig voneinander? Dann kann die Reihenfolge frei sein.

Die Wahl des Mediums

Wandtexte

Eine sehr gute Lösung. Das Personal muss nicht entscheiden, wem es ein Begleitheft in Leichter Sprache anbietet und wem nicht. Man erreicht also sehr viel mehr Menschen. Ich wage mal zu behaupten, dass 95 Prozent der Besucher*innen zumindest teilweise lieber die schnell erfassbaren Informationen in Leichter Sprache konsumieren. Dies erhöht aber natürlich auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich irgendein Akademiker mit Angst um die deutsche Sprache über die unpräzisen oder „verdummenden“ Inhalte mokiert (weshalb so wichtig ist, dass inhaltlich alles korrekt ist).

Das wirkliche Problem ist aber in vielen Fällen: Es muss genug Platz sein. Oft soll die Leichte Sprache ja nachträglich integriert werden. Das ist oft schwierig. Wie immer bei der Barrierefreiheit, gilt also auch hier: Besser, man plant die Leichte Sprache von Beginn an mit ein.

Begleitheft

Begleithefte verschiedener Museen in Leichter Sprache

Ein Begleitheft ist einfacher umzusetzen, im Umfang weniger begrenzt und man kann später nochmal alles in Ruhe nachlesen (wie viele Menschen das wirklich tun, ist eine andere Frage). Dafür erreichen wir weniger Besucher*innen.

Wichtig ist, dass man ein Format wählt, dass genug Platz für große Schrift und Bilder lässt, und gleichzeitig gut im Stehen gelesen werden kann. Ich empfehle immer 20×20 cm, aber es funktioniert auch die schmalere DIN A5-Variante. Nicht so geeignet sind Flyer in DIN lang oder DIN A4. Daneben sollte das Papier fest genug und möglichst matt sein. Damit das Heft auch beim Laufen oder bei motorischen Einschränkungen nicht von selbst zuklappt, bietet sich eine Spiralbindung an.

Also nochmal zusammengefasst:

  • Format 20×20 cm

  • festes, mattes Papier

  • Spiralbindung

Audioguide

Ein Audioguide ist eine super Idee. Insgesamt geht der Trend ja zu auditiven bzw. audiovisuellen Medien – egal, ob Podcast, Hörbuch oder Youtube-Video. Das ist definitiv auch bei Menschen mit Leseschwierigkeiten so. Es lebe der Erfinder der Sprachnachricht!
Wichtig ist: Unser Audioguide sollte einfach zu bedienen sein und die Führung sollte insgesamt nicht länger als eine Stunde dauern. Das heißt: Wir müssen stark auswählen und kürzen. Denn ein Text in Leichter Sprache wird im Schnitt drei bis viermal länger als das Original.

Fazit

Ideal ist natürlich ein Mix: Eine Führung in Einfacher Sprache, ausgewählte Wand- und Objekttexte sowie ein Begleitheft für tiefergehende Informationen. Und wir haben noch nicht mit der Vermarktung angefangen. Hier kommt die Website ins Spiel und vielleicht noch ein Flyer für Menschen ohne Internetzugang. Beides soll neugierig machen.
Doch nicht nur das. Hier müssen auch grundlegende Informationen vermittelt werden wie: Komme ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Museum? Oder: Ist das Museum auch für Menschen mit Rollstühlen barrierefrei?

Ein paar Beispiele zum Stöbern …

Umfassende Konzepte sind leider eher die Ausnahme – noch. Ich habe aber eine ganze Reihe an Beispielen für Leichte Sprache im Museum zusammengetragen. Dazu kommen Museen, die ein Begleitheft in Druckform anbieten. Da diese oft nicht online zur Verfügung stehen bzw. beworben werden, tauchen sie hier nicht auf.

Übrigens: An dieser Stelle gehe ich nicht weiter darauf ein, was eine gute Website in Leichter Sprache mitbringen sollte. Meine Kooperationspartnerin Anja Teufel erklärt das aber eingehend am 14. und 28. Juni 2021 in einer praktische Online-Schulung :).

Mich interessiert nun: Was finden Sie gut gelungen? Was könnte man noch verbessern? Hinterlassen Sie gerne einen Kommentar!

Bei dem Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag. Die darin geäußerten Ansichten geben die Meinung der Verfasserin wieder und entsprechen nicht zwangsläufig dem Standpunkt von INSEL + MEILE.


Expertin für barrierearme Kommunikation

Inga Schiffler ist freiberufliche Dolmetscherin, Übersetzerin, Texterin und Trainerin für Leichte Sprache. Parallel dazu arbeitet sie unter der Leitung von Prof. Bettina Bock in einem inklusiven Forschungsprojekt.

Nach einer Fachausbildung zur Dolmetscherin in spanischer Gebärdensprache und Taubblindenassistenz studierte Inga Schiffler zunächst Übersetzen und Dolmetschen (B.A.) in Salamanca und dann Translation mit Schwerpunkt Dolmetschen (M.A.) an der Universität Mainz, Campus Germersheim.

Wichtig ist ihr, mit Leichter Sprache wirkliche Teilhabe zu erreichen – in allen Bereichen unseres Lebens. Mit viel Herzblut engagiert sie sich auch für mehr Leichte Sprache im Museum: mit Inhouse-Schulungen (z.B. für die Kunsthalle Bremen oder das Historischen Museum der Pfalz Speyer) und Übersetzungsprojekten (z.B. für das DDR-Museum Pforzheim oder die Ausstellungen „Barriere:Zonen” und „erschüttert” von Handicap International).