Alle Jahre wieder … geht ein Jahr vorbei
Und auch im Jahr 2021 hat uns zum wiederholten Male vor allem ein Thema auf Trab gehalten. Aber: Auch ohne, dass wir hier über die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen auf die Arbeit von Museen und ihren Macher*innen sprechen müssen, ist in der Musemswelt 2021 viel passiert. Wir sind flexibler, digitaler und partizipativer denn je – und das sind nur drei der Entwicklungen, über die wir uns in diesem Jahr gefreut haben.
Welche Themen haben die Museumswelt 2021 bewegt? Und wo werden sie uns 2022 hinführen? Zum Jahresende haben wir uns das einmal genauer angesehen ...
Digitalisierung
Eigentlich ist es schon keine Neuigkeit mehr: Digitalisierung ist das Schlagwort unserer Zeit. Während Digitalisierung für Museen oftmals nicht nur Segen, sondern auch Herausforderung bedeutet (immerhin haben es speziell Digitalisierungsprojekte finanziell in sich), hat es uns sehr gefreut, dass sich besonders im Jahr 2021 großartige digitale Ideen entdecken ließen.
So ging etwa der 8. Sächsische Museumspreis dieses Jahr u.a. an das Naturkundemuseum Leipzig für dessen tolle, digitale Arbeit: Die Retrowelt ist ein Computerspiel, welches den Besuch im Naturkundemuseum auch vom heimischen Schreibtisch aus ermöglicht. Und zwar im originalen Stil von Computerspielen der 90iger Jahre! Einfach mal vorbeiklicken und ausprobieren. Es ist die perfekte Vorbereitung für die anstehende Jahrestagung des Sächsischen Museumsbundes 2022, welche vom 19. bis 21. März 2022 in Hoyerswerda stattfindet. Denn diese steht, wen wundert‘s, unter dem Thema: Digitalisierung.
Und wer sich diesbezüglich lieber ganz old-school inspirieren lassen möchte, der findet im (2021 erschienenen) Perspektivpapier „Kulturen im digitalen Wandel. Perspektiven des Bundes für Vermittlung, Vernetzung und Verständigung“ sicher die eine oder andere Anregung für das eigene Arbeiten.
Dekolonisierung
Um ein Museum kam man 2021 nicht herum, egal ob man schon die Zeit gefunden hat, es tatsächlich zu besuchen oder durch das Medienecho – welches, sagen wir, nicht durchweg positiv ausfiel – darauf aufmerksam wurde: Das Humboldt Forum. Am 20. Juli 2021 eröffnet, begrüßt es Neugierige mit wiederhergestellter barocker Fassade und: dem 16 Meter hohen Auslegerboot der südwestpazifischen Insel Luf, welches sich seit 1904 in Berlin befindet.
Während sich also Menschen im ganzen Land für eine neue Geschichtserzählung stark machen, welche den Globalen Süden nicht länger als „Entdeckung“ oder „europäische Hilfsmission“ deklariert, während im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum die Ausstellung RESIST! Die Kunst des Widerstands den Perspektivwechsel und die Selbstermächtigung antikolonialen Widerstands feiert, während das GRASSI Museum für Völkerkunde zu Leipzig eine neue Plattform für Dekolonisierung, Restitution und Repatriierung zugänglich macht, geht die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hier andere Wege. Letztere Projekte beweisen jedoch: Dekolonisierung eröffnet ein neues Kapitel – auch für die Arbeit von und in Museen.
Inklusion
Wie auch schon in den vergangenen Jahren haben wir uns sowohl theoretisch als auch praktisch mit dem Thema Inklusion befasst. Und damit sind wir nicht allein: es tut sich was in der Museumswelt! So wurde das smac in Chemnitz kürzlich mit dem DigAMus Award für seine Ausstellung Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine ausgezeichnet, die auf äußerst umfangreiche Weise inklusiv ins Digitale übertragen wurde und damit von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen genutzt werden kann. Der Ausstellungsinhalt wird hier in Leichter Sprache angeboten, es gibt Gebärdensprachvideos und audiodeskriptive Beschreibungen von Exponaten – ein gelungenes Beispiel für ein hybrides Ausstellungsformat. Wir wünschen uns mehr davon! Und das kriegen wir: Die Staatlichen Museen zu Berlin lassen sich nun auch per Telefonführung erleben (Ein einmaliges Erlebnis für Menschen mit und ohne Sehbeeinträchtigung!) und im Kunstmuseum Moritzburg in Halle gibt es Führungen für Menschen mit Demenz. Das macht doch Lust auf ein spannendes 2022 – Inklusive toller Museumsangebote!
Nachhaltigkeit
Ohne Frage wohl das drängendste Thema unserer Zeit. Und nicht nur die Energiebranche fragt sich: Quo vadis?, sondern auch Kultur- und Museumsschaffende stellen Fragen wie: „Was ist der Beitrag dieses Bereichs zur Rettung des Klimas? Wie sieht es beim Museum der Moderne tatsächlich mit der Nachhaltigkeit aus?“, wie es zuletzt unsere neue Kulturstaatsministerin Claudia Roth formulierte.
Antworten gibt z.B. das gerade ein Jahr alt gewordene Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, welches fortan auch mit dem Museum Ludwig in Köln kooperiert. Wer nach schnellen Antworten sucht, wird bei der ICOM fündig: In Zusammenarbeit mit studio klv informiert die ICOM über Sustainability Management in Museums. Das erklärte Ziel: Die Entwicklung von grünen Museen – Museen also, die in ihrem Wirken Kunst, Kultur und Vermittlung mit einem nachhaltigen und ökologischen Handeln vereinen. Ein hohes Ziel, bei welchem sich jeder noch so kleine Schritt lohnt.
Warum, das zeigen die Fotografien von Otto Becker, welche aktuell in den Technischen Sammlungen Dresden zu sehen sind. Landscapes. Signs of Change läuft noch bis 16. Januar 2022 und zeigt die Auswirkungen, welche der Klimawandel auf Regenwald, Arktis oder sibirische Permafrostböden nimmt. Einige der Begleitveranstaltungen sind bereits auf April 2022 verlegt, wir drücken die Daumen, dass die Schau so auch trotz Pandemie zu erleben sein wird.
Partizipation
Die Zeiten des staubigen Museums, in welchem bloß nichts angefasst werden darf und andächtige Stille herrscht, sind längst vorbei. Im Gegenteil: Immer mehr Museen setzen nicht mehr nur auf die Expertise von Kurator*innen und Museumsprofis, sondern auf die ihrer Besucher*innen – den großen und den kleinen! Mitmachen statt angucken heißt es hier.
So war in diesem Jahr die Ausstellung Lebewesen, die mal keine Menschen sind im Bode Museum zu sehen. Kuratiert von der Klasse 6c der Berliner Grunewald-Grundschule!
Die Ausstellung war Teil des lab.Bode pool, ein Projekt, welches wir seit inzwischen fünf Jahren mit größtem Interesse verfolgen - jetzt ging es zu Ende. Was bleibt, ist ein tolles Netzwerk an Museumsbegeisterten und eine Plattform, die Lust macht auf Mitmachen und Experimentieren im partizipativen Museum der Zukunft.
Zukunftsvisionen hat auch die Stadt Altenburg in Thüringen: Wo vor 200 Jahren das Skat-Spiel erfunden wurde, ist nun die Spielewelt in Planung, eine Erlebnis- und Ausstellungswelt rund ums Spielen inklusive Spielecafé und InnovationLab. Natürlich unter Mitwirkung der Altenburger und Altenburgerinnen! Über dieses Museum Out of the Box und neue partizipative Möglichkeiten informiert Christian Horn in einem Video auf Einladung des Kulturmanagement Network. Sehenswert!
Storytelling
Oder: Das Erzählen von Geschichten. Was unweigerlich nach Marketingstrategie, BWL und Instagram klingt, ist eigentlich eine Kommunikationstechnik, welche den Spagat zwischen Wissensvermittlung und wissenschaftlichem Anspruch zu vollführen vermag – und dabei oftmals wie nebenbei das analoge Museum mit dem digitalen Raum verbindet. Kein Wunder also, dass gerade 2021 so viele tolle Storytelling-Projekte entstanden sind.
Zum Beispiel freuen wir uns auf den neuen Podcast des Städel Museums: Blinded by Rembrandt erzählt eine vielstimmige Geschichte des Rembrandt-Gemäldes „Die Blendung Simsons“, welches Teil der aktuellen Ausstellung Nennt mich Rembrandt! Durchbruch in Amsterdam ist.
Ein weiteres Beispiel des lebendigen Geschichtenerzählens kommt aus Frankfurt an der Oder: Gemeinsam mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder bildet das Kleist-Museum Studierende zu mehrsprachigen Kulturguides aus. Diese geben ihr Wissen dann mehrsprachig an Besuchende weiter.
Und auch vor der eigenen Haustür lassen sich lebendige Geschichten entdecken: Vor der naTo in der Leipziger Karl-Liebknecht-Straße ist nun die Ausstellung Alltag / Revolution zu sehen, die letztes Jahr im Hauptbahnhof Station machte. Sie erzählt die Geschichte der ersten fünf Jahre der Weimarer Republik – Auf nicht zu übersehenden, personifizierten Stelen. Ein schönes Ziel für alle Leipziger*innen, die den Museumsbesuch dieser Tage allzu sehr vermissen!
Diversität
Museen sind Orte der Bildung und der Begegnung. Umso wichtiger ist es, dass besonders sie offen für alle sind – Unabhängig vom Geschlecht, der Hautfarbe oder Herkunft, Sprache oder Sexualität ihrer Besuchenden. Unsere Gesellschaft ist divers. Und so auch die Museumsangebote, welche diese Vielfalt sichtbar machen und stärken.
Lust auf das Thema macht uns das British Museum: Vor Ort ermöglicht es der LGBTQ History Trail "Desire, love, identity" anhand von 15 ausgewählten Sammlungsobjekten in die weit zurückreichende Geschichte der LGBTQIA+ Community einzutauchen. Dank Google Arts und Audios, die z.B. bei Spotify oder YouTube zu finden sind, lässt sich dieser Rundgang übrigens auch vom EUropäischen Festland erleben!
Aber auch hierzulande steht das Thema hoch im Kurs: Die Wanderausstellung Mittendrin - queeres Leben in Sachsen erzählt von den Erfahrungen junger, queerer Menschen auf dem Land. Ab 2. Januar ist die Ausstellung in Dresden zu sehen, bis dahin finden sich auf der Website sechs sehr persönliche Interviews von Beteiligten. Auch die Ausstellung All included bietet die Möglichkeit, sich mit den Themen Diversity, Gender und Liebe auseinanderzusetzen. Schulen können sie beim Jugend Museum der Museen Tempelhof-Schöneberg ausleihen.
Museum in Krisenzeiten
Na gut, ganz drumrum kommen wir um das Thema nicht. Denn 2021 wurde nicht nur durch die Corona-Krise erschüttert, viele Menschen in Deutschland erlitten diesen Sommer zusätzlich ein Schicksal, was wir wohl so bis dato nicht für möglich gehalten hatten: NRW, Rheinland-Pfalz, Bayern und allen voran das stark betroffene Ahrtal wurden durch eine Flutkatastrophe heimgesucht, die für teils irreparable Schäden sorgte. Viele der Betroffenen leben bis heute ohne Heizung und haben alles verloren, was ihnen lieb war. Wie gehen wir als Museen und Museumsmachende mit derartigen Krisen um? Eine Frage, die in einer Zukunft, die vermutlich mehr solcher Ausnahmesituationen für uns bereithalten wird, unbedingt verhandelt werden muss. Was wir bis dahin machen können: Solidarisch sein und Hilfe anbieten. Zum Beispiel über den Spendenaufruf des Museumsverbandes Rheinland-Pfalz oder die Initiative Museen helfen Museen der Geschäftsstelle des Museumsbundes – Denn ja, natürlich sind auch Museen in der Region betroffen. Eine tolle Geste, die gerade in der Weihnachtszeit Menschen ein kleines Glück verschaffen kann.
Haben wir was vergessen? Was hat Sie dieses Jahr in ihrer Arbeit bewegt? Nutzen Sie die Kommentarfunktion und teilen Sie es uns mit!
Wir freuen uns auf ein aufregendes Jahr 2022 mit inklusiven, diversen, partizipativen und nachhaltigen Museumsprojekten und wünschen Ihnen in Umsetzung dieser viel Freude und Schaffenskraft. Gerne stehen wir Ihnen beratend und gestaltend zur Seite.