“Drink coffee, put on some punkrock and handle it!”
Eine neue Dauerausstellung zu planen und umzusetzen, dürfte eine der spannendsten und zugleich komplexesten und herausforderndsten Aufgaben im Museumsbetrieb sein.
Manuela Dietz, die Leiterin des Friedrich-Ludwig-Jahn-Museums in Freyburg (Unstrut), und ihr Team stecken gerade mittendrin: Das von uns erarbeitete Ausstellungskonzept für die neue Dauerausstellung ist Ende 2020 verabschiedet worden; und nun geht es in die Ausstellungsgestaltung.
In unserer dritten Ausgabe von AUF EIN WORT gibt Manuela Dietz Einblicke in den Prozess …
Frau Dietz, welche Gründe haben die Friedrich-Ludwig-Jahn-Gesellschaft, die Träger des Museums ist, bewogen, die Dauerausstellung vollständig zu überarbeiten?
Die alte Dauerausstellung ist fast 20 Jahre alt. Didaktisch, technisch, gestalterisch und auch inhaltlich ist sie einfach nicht mehr auf dem Stand der Zeit. Als ich 2014 die Leitung des Museums übernommen habe, wurde in Gesprächen mit dem Träger schnell klar, dass eine grundsätzliche Neuausrichtung und Professionalisierung des Museums angestrebt wird. Zentrales Element für die Entwicklung des Museums ist eine attraktive Erlebnisausstellung, die inhaltlich auch andere Akzente setzt.
Wann fiel der Entschluss für die Überarbeitung der Ausstellung und welche Arbeitsschritte/Meilensteine gingen der Konzepterstellung voraus?
Der große und spannende Themenkomplex „Jahn-Rezeption“ wird in der alten Ausstellung nicht abgebildet, ist aber notwendig, um Kontroversen der Gegenwart besser einordnen und verstehen zu können. Vor allem die häufigen Debatten um Umbenennungen von Schulen und Straßen, die nach Jahn benannt sind und bei denen wir immer wieder um Stellungnahme gebeten wurden, gaben den Ausschlag aktiv zu werden. Wir wollten als Museum nicht mehr nur reagieren, sondern agieren. Dazu bedurfte es einer Vorstellung davon, welche Bedeutung und Funktion die Institution und ihre Sammlungen in der Region beziehungsweise im Land Sachsen-Anhalt haben und künftig haben können.
Voraussetzung für die Entwicklung der neuen Konzeption war die Kenntnis um die zentralen Themen und eigenen Bestände. Die Sammlungen des Museums umfassen über 15.000 Objekte, Archivalien und Bücher, die bereits seit 2014 retro-inventarisiert wurden. Damit verschafften wir uns einen Überblick über die Sammlungen, inhaltliche Schwerpunkte und auch Desiderate.
2015 gab es dann erste Gespräche mit Vertretern des Burgenlandkreises, der Stadt Freyburg, des Land Sachsen-Anhalt, des Museumsverbandes, der Museumsleitung und dem damaligen Präsidenten der Jahn-Gesellschaft, Hansgeorg Kling, als deren Ergebnis der gemeinsame Wunsch formuliert wurde, das Museum zu sanieren, zu erweitern und eine neue Dauerausstellung zu realisieren.
Freud und Leid liegen ja oft dicht beisammen: Was hat Ihnen im Prozess am meisten Kopfzerbrechen beschert? Und was waren Ihre Glücksmomente?
Momentan überwiegt noch das Kopfzerbrechen, da das Projekt ja noch nicht abgeschlossen ist und wichtige Meilensteine noch vor uns liegen. Vor allem die Realisierung der Sanierung und Erweiterung ist in Anbetracht der massiven Preissteigerungen in der Bauwirtschaft und den vielfältigen Anforderungen des Denkmalschutzes, des Umweltschutzes und der extremen Topografie vor Ort ein durchaus schwieriges Unterfangen. Die Corona-Pandemie ist auch nicht spurlos an uns und den Fördermittelgebern vorbei gegangen. Die finanzielle Situation ist schwieriger als vor zwei Jahren. Vor allem die Aufbringung der Eigenmittel ist ein Kraftakt.
Mit Blick auf die Ausstellung stellt uns der begrenzte Platz in den Ausstellungsräumen vor große Herausforderungen. Die Aufgabe ist es ein hochkomplexes und vielschichtiges Thema auf kleinem Raum verständlich darzustellen. Dazu soll die Ausstellung möglichst inklusiv sein und Angebote für ganz unterschiedliche Besucher*innen mit unterschiedlichsten Voraussetzungen bereithalten. Auch müssen wir nicht nur mit den Exponaten in der Ausstellung umgehen, sondern das Wohnhaus selbst als größtes Exponat in situ einbinden.
Neben der inhaltlichen und konzeptionellen Arbeit sind auch die verwaltungstechnischen Abläufe und Aufgaben nicht zu unterschätzen. Gerade in einem kleinen Haus, mit wenig Personal, bedeutet ein solches Vorhaben einen enormen Aufwand, der zusätzlich zu den täglichen Aufgaben anfällt. Dies ist für alle Mitarbeiter*innen eine Belastung. Man verbringt Monate mit Anträgen, Abrechnungen und theoretischen Planungen. Auch Rückschläge muss man immer mal wieder hinnehmen.
Aber natürlich gibt es auch Glücksmomente. Besonders schön ist es wenn aus Zahlen und Konzepten die ersten sichtbaren und konkreten Dinge entstehen. Als das Feinkonzept gedruckt und gebunden auf dem Tisch lag, die Straße zum Museum nach der Sanierung eingeweiht wurde oder als die Ergebnisse des Architekturwettbewerbs bekannt gegeben wurden und wir dann die ersten 3D-Modelle anschauen konnten, das waren solche Glücksmomente. Grundsätzlich sind alle Momente Glücksmomente, an denen auf dem Weg von der Idee zur Realität wieder ein Stück umgesetzt wurde.
Auf welche noch vor Ihnen liegenden Schritte freuen Sie sich am meisten?
Wir haben gerade den Gestaltungswettbewerb für die Dauerausstellung abgeschlossen.
Die ersten Gestaltungsentwürfe für die Ausstellungsräume zu sehen war spannend und motiviert das Projekt voranzutreiben. Auf den nun folgenden kreativen Teil der Arbeit und den Austausch mit INSEL + MEILE freue ich mich sehr. Ich freue mich auch schon auf den Moment, wenn wir dann die neue Ausstellung aufbauen, die ersten Abteilungen fertig sind und man sehen kann, für was man in den letzten Jahren gearbeitet hat.
Und ich freue mich jetzt schon auf die Eröffnung und den Betrieb des Museums, in dem es dann ganz andere Möglichkeiten zur Nutzung geben wird.
Was würden Sie Kolleg*innen, die eine Überarbeitung ihrer Dauerausstellung planen, mit auf den Weg geben?
Drink coffee, put on some punkrock and handle it! ;)
Nein, im Ernst. Ich tue ich etwas schwer damit anderen Ratschläge zu erteilen. Jedes Haus und jede Ausgangssituation ist anders. Das schwierigste dürfte wohl sein, die nötige Finanzierung auf die Beine zu stellen. Hierfür braucht es manchmal einen langen Atem. Gerade in kleinen Häusern ist es wichtig zu Priorisieren und zu Fokussieren. Man sollte nicht zu viele Projekte zeitgleich bearbeiten, muss auch mal nein sagen können. In unserem Fall bedeutet das, dass wir temporär weniger Veranstaltungen und Projekte durchführen und auch keine größeren Sonderausstellungen planen.
Ansonsten ist es gut sich ausreichend Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken, was das eigene Haus und die eigene Sammlungen besonders macht. Für diese ersten theoretischen Schritte fand ich den Leitfaden zur Erstellung eines Museumskonzepts des Deutschen Museumsbundes sehr hilfreich. Für die finanzielle Planung finde ich die Kalkulationsvorlagen, Honorartabellen und Musterverträge der HOAS ganz nützlich.
Viele Informationen und Hilfestellungen habe ich aber auch direkt von Kolleg*innen der Museumsverbände und anderen Museen erhalten. Sich gut zu vernetzen ist also wichtig. Aus dem direkten Austausch mit Kolleg*innen, dem Besuch von Tagungen und anderen Museen kann man neben allerlei nützlichen Informationen auch eine Menge Inspiration erhalten. Auf jeden Fall darf man den Mut haben, Gewohntes zu hinterfragen und die eine oder andere Erwartungshaltung in Frage zu stellen.