RELEVANZ! Wie wollen in Zukunft arbeiten? - VerA Sommerfest in Leipzig
Als der Verband der Ausstellungsgestalter VerA e.V. uns fragte, ob wir bereit seien, einen Beitrag zum Thema Relevanz einzubringen, fiel dies bei uns auf fruchtbaren Boden. Die Frage nach der Bedeutsamkeit unserer Arbeit treibt uns um. Während der Corona-Pandemie konnte man sich schon fragen, ob die Arbeit in Museen und an neuen Ausstellungen wirklich das ist, was unsere Gesellschaft zurzeit braucht?
Und über welche Relevanz wollen wir eigentlich sprechen? Über die Relevanz von Museen? Oder von Sammlungen? Oder von Ausstellungen?
Die Frage, die VerA an uns gestellt hatte, war die nach einer kuratorischen Perspektive: Welche Themen scheinen für die Zukunft wichtig zu sein? Klimakrise, soziale Ungerechtigkeit, Krieg, Nahrungsmittelknappheit - es gibt so viele Themen die uns täglich umtreiben. Aber sind dies auch die Themen für die nächsten Ausstellungen?
Laut Zukunftsinstitut bestimmen zwölf Mega-Trends unsere Zeit, z.B. Individualisierung, Urbanität, Wissenskultur, Neo-Ökologie, Sicherheit etc. Doch sind es diese Themen, die relevant sind für Museen und ihre Ausstellungen? Wir meinen, die Themen allein machen eine Ausstellung nicht relevant. Denn schließlich gibt es eine Sammlung, ein Museum mit einem Background, einem Selbstverständnis und einem Ausstellungsgegenstand. Oder eben ein ganz spezifisches Ausstellungsthema.
Ist es nicht eine wesentliche Anforderung an die Arbeit von Kuratorinnen und Kuratoren, die eigene Ausstellung mit diesen großen Themen der Gesellschaft zu verbinden?
Doch auch dann, so unsere Überlegung, wird die Ausstellung nicht per se für Besucher*innen relevant. Noch immer würde ihr ein wesentlicher Faktor fehlen: nämlich der Bezug zur Lebensrealität der Menschen, die die Ausstellung besuchen (oder eben auch nicht). Die Antwort auf die Frage: „Und was bedeutet das jetzt für mich?“ wäre womöglich schwer zu geben. Dies zu ermöglichen, ist also die zweite große Herausforderung an die inhaltliche Arbeit.
Wie kann das nun gelingen? Wann ist eine Ausstellung relevant? Und für wen eigentlich? Woran machen wir das fest? Und was bedeutet das für unser konzeptionelles Arbeiten?
Entlang dieser Thesen und Fragen haben wir uns Stück für Stück ein Koordinatensystem aus Festlegungen und Ableitungen aufgebaut. Den Nullpunkt bildete zunächst eine Begriffsbestimmung von Relevanz im Ausstellungskontext: demnach ist eine Ausstellung dann relevant, wenn sie für das Publikum einen Mehrwert hat – sprich: bedeutsam ist.
Eine Ausstellung ist dann relevant,
wenn sie einen Mehrwert für das Publikum hat.
Woraus sich diese Bedeutsamkeit konkret generiert, ist sehr vielfältig. Während die einen ihren persönlichen Mehrwert in einem Zuwachs an Wissen sehen, kann es bei anderen das gemeinsame Erleben und Austauschen mit Freund*innen oder ein kontemplatives Genießen sein. In jedem Fall aber muss die Ausstellung etwas mit den Menschen und ihrem Leben zu tun haben.
Es gilt also, Anknüpfungspunkte an die Lebenswelt des Publikums zu finden – beispielsweise über Alltagserfahrungen, Werte, Fragen der eigenen Identität oder aber persönliche Betroffenheit. Oder besser gesagt: an die Lebenswelten. Denn unsere Gesellschaft ist divers und das Publikum bringt ganz unterschiedliche Erfahrungswelten mit. Da ist es beim Finden der Anknüpfungspunkte hilfreich, den Ausstellungsgegenstand aus vielen Perspektiven in den Blick zu nehmen. Zu überlegen, abzufragen und gemeinsam zu erarbeiten, welche Aspekte für bestimmte soziale Gruppen besonders interessant sein könnten. Daraus ergibt sich nicht selten ein interessantes und manchmal auch überraschendes Momentum für die Ausstellungsthematik und Narration.
Und was bedeutet das jetzt für uns? Wir haben drei Punkte ausgemacht:
Mindset
Ein konsequent publikumsorientiertes Mindset ist die grundlegende Voraussetzung, um relevante Ausstellungen zu konzipieren. Das heißt es braucht sowohl Respekt gegenüber dem Publikum und seinen Bedürfnissen, Vorkenntnissen und Besuchsmotivationen als auch Kenntnisse über eben diese Dinge.
Methode
Eine der wichtigsten Aufgaben der kuratorischen Arbeit sehen wir in der intensiven Auseinandersetzung mit der Frage, welche Potentiale Inhalte und Objekte haben, um beim Publikum Relevanz zu erzeugen. Im Idealfall lässt sich daraus das Ausstellungsnarrativ entwickeln, das dann wiederum maßgeblich die Ausstellungsstruktur und Auswahl der Inhalte beeinflusst.
Prozess
Unsere These: Je co-kreativer der Prozess der Ausstellungskonzeption ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine relevante Ausstellung entsteht. Co-Kreation und Partizipation sind keine Garanten für die Relevanz einer Ausstellung, aber sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit doch erheblich. Denn sie sind immer mit einem Zuwachs an Expertise und Erfahrungen verbunden. Der Respekt, den sich alle Beteiligten in diesen Prozessen gegenseitig erweisen, erfüllt schließlich auch die Ergebnisse mit mehr Herz und Tiefe. Wenn also verschiedenste Menschen als Expert*innen in eigener Sache agieren und auf Augenhöhe Teil des Ausstellungsteams werden, dann gewinnen alle: die Mitwirkenden und die Ausstellung an Perspektiven, Positionen und Einsichten. Und damit auch an Relevanz. Und dann werden wir mit unserer Arbeit auch gebraucht.
Mindset - Methode - Prozess
Ein wenig ernüchternd: Dies alles sind ja keine neuen Gedanken. Seit langem befassen sich Museumsleute und Ausstellungsmacher*innen, Kurator*innen, Museumpädagog*innen, Gestalter*innen und Künstler*innen und viele andere mit Fragen rund um die kulturelle Teilhabe und wie sie selbstverständlicher Teil der musealen Ausstellungs-, Vermittlungs- und Bildungserlebnisse werden kann. Wir sind auf dem Weg dahin, es dauert, aber wir arbeiten dran.
Der Austausch war gut und wichtig und hat großen Spaß gemacht. Vielen Dank an VerA für den inspirierenden Tag!