10 Tipps für publikumsorientierte Ausstellungstexte
Museumsbesucher*innen kommen nicht zum Lesen ins Museum, sondern zum Schauen. Doch ohne Texte geht es trotzdem nicht. Den allermeisten Besucher*innen helfen sie, die Aussagekraft der ausgestellten Objekte zu verstehen und einzuordnen. Denn sie sind in der Regel keine fachwissenschaftlichen Expert*innen für das jeweilige Ausstellungsthema; sie sind Laien, die ganz unterschiedliche Vorkenntnisse mitbringen.
Daher sollten insbesondere Texte, die während eines Ausstellungsbesuches gelesen werden, so gestaltet sein, dass das Lesen nicht zur Qual wird. Dabei ist ein lesefreundliches Schriftbild schon die halbe Miete. Das heißt konkret:
Die Schrift ist so groß, dass sie auch mit etwas Abstand noch gut lesbar ist.
Die Wahl sollte auf eine schnörkellose, serifenlose Schriftart mit ausgewogener Laufweite fallen.
Vermeiden Sie enge Zeilenabstände und Blocksatz.
Der Kontrast zwischen Untergrund und Text ist ausreichend groß.
Lassen Sie den Text über einen ruhigen, einfarbigen Hintergrund laufen.
Insbesondere Ausstellungsführer und Wandtexte übernehmen hier eine wichtige Vermittlungsfunktion: Sie erläutern und erklären das Ausgestellte. Dabei können sie auch Zusammenhänge aufzeigen, die nicht präsentiert werden können.
Sie transportieren und kontextualisieren also zentrale Ausstellungsinhalte, ohne dass sie dabei die Hauptrolle spielen dürfen. Die haben ja die Exponate inne. Das macht die Textproduktion mitunter zu einem Balanceakt.
Orientierungshilfe bieten da die verschiedenen sprachlichen, formalen und inhaltlichen Regeln, die sich als allgemeiner Konsens für Ausstellungstexte durchgesetzt haben. Aber sie allein sind kein Allheilmittel, das garantiert zu publikumsorientierten Texten führt. Hängt ihre Qualität doch von vielfältigen Faktoren ab.
Wir haben mal die (für uns) zehn wichtigsten Aspekte aufgelistet, die dazu beitragen, dass Ausstellungstexte von Besucher*innen gerne gelesen werden.
1. Planung ist alles!
Besonders bei Texten, die in einem größeren Zusammenhang stehen – wie Wandtexte, Ausstellungsführer oder Kataloge, sollten grundlegende konzeptionelle Überlegungen am Anfang stehen, die beim Verfassen der Texte als Leitlinie dienen.
Wenn man sich vorab überlegt, für wen die Texte geschrieben werden und was sie in welcher Struktur und Gliederung vermitteln sollen, erleichtert das die spätere Textarbeit erheblich und im Ergebnis sind die Texte stringenter und fokussierter, als wenn man einfach drauf losschreibt.
Bevor es ans Schreiben geht, sollte auch verbindlich feststehen, welchen Umfang die Texte haben, in welcher Tonalität sie gehalten sein sollen und welcher Dramaturgie sie folgen.
2. Weniger ist mehr!
Das gilt vor allem für Wandtexte. Sie werden in der Regel im Stehen gelesen. Das ist anstrengend. Dazu kommt, dass man in den meisten Fällen nicht allein im Museum ist, wodurch sich reichlich Ablenkungen bieten (können).
Darum sollten Wandtexte so sparsam wie möglich beziehungsweise nur so häufig wie wirklich nötig eingesetzt werden. Vertiefende Informationen können auch über andere Wege vermittelt werden – wie zum Beispiel Ausstellungskataloge oder Lesestationen.
3. In der Kürze liegt die Würze!
Im Idealfall sind Wandtexte nicht länger als 20 Zeilen. Längere Texte werden – wie Studien gezeigt haben – ohnehin häufig nicht bis zum Ende gelesen.
Aber auch bei Ausstellungsführern bietet es sich an, von ausschweifenden Ausführungen abzusehen. Denn sie werden ja in der Regel während des Ausstellungsbesuchs gelesen, nicht selten auch im Stehen. Wichtig ist dabei, dass nicht nur die Anzahl der verwendeten Zeichen reduziert wird. Denn ein stark verdichteter Text ist weniger verständlich und das Lesen anstrengender. Die Herausforderung liegt vielmehr in Reduktion des Informationsgehalts: Nicht alles kann ausgeführt werden. Damit der Text überschaubar bleibt, muss genau ausgewählt werden, welche Informationen in welcher Tiefe vermittelt werden sollen und auf welche verzichtet werden kann.
Wer hier dennoch nicht auf vertiefende Informationen verzichten möchte, sollte diese optisch von den Textteilen mit den zentralen Inhalten absetzen und als solche kennzeichnen.
4. Verlieren Sie Ihre Besucher*innen nie aus dem Blick!
Bei dem Unterfangen möglichst viele interessante Informationen auf wenig Raum unterzubringen, kann es leicht passieren, dass die Bedürfnisse und Erwartungen der Menschen, für die die Texte geschrieben werden, während des Schreibens hinten runterfallen.
Es hilft, sich immer wieder bewusst zu machen, für wen die Texte produziert werden
Wer wird den Text lesen?
Welche Vorkenntnisse bringen die Besucher*innen mit?
Was könnten sie besonders interessant finden?
Welche Fragen könnten sie sich stellen?
Wenn wir davon ausgehen, dass die meisten Besucher*innen keine umfangreichen Vorkenntnisse für den Gegenstand der Ausstellung haben, hat das natürlich auch Auswirkungen auf die Ausstellungstexte. Sie müssen so formuliert sein, dass sie für Laien verständlich und im besten Falle auch interessant sind. Darum hat Wissenschaftssprache in Ausstellungstexten nichts verloren. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass Fachbegriffe verboten sind. Aber sie sollten mit Augenmaß eingesetzt und zwingend erklärt werden.
5. Das Auge isst mit!
Selbst der beste Text der Welt wird ohne eine ansprechende, lesefreundliche Gestaltung nur wenige begeisterte Leser*innen gewinnen können. Beobachten Sie sich selbst: Textwüsten in kleiner, eng gesetzter Schrift lassen einen eher zurückschrecken. Wer sich dennoch zum Lesen durchringt, muss sich ziemlich anstrengen. Das Auge leistet dann Schwerstarbeit.
6. Nehmen Sie das Feedback fachfremder Testleser*innen ernst!
Bis Ausstellungstexte an die Wand kommen oder ihren Weg als Begleitheft oder Audioguide in die Ausstellung finden, durchlaufen sie in der Regel mehrere Abstimmungs- und Korrekturschleifen. Die laufen oft nur hausintern zwischen den Kolleg*innen. Die haben aber in den meisten Fällen mehr Vorwissen als die Besucher*innen.
Daher suchen wir uns gerne Testleser*innen, die fachfremd sind und beruflich nichts mit Museen zu tun haben. Zum Beispiel aus unserem Freundes- und Familienkreis. Da fällt das Feedback erfahrungsgemäß anders aus als bei internen Runden.
Und auch wenn es schwerfällt und man bei manch kritischen Anmerkungen versucht ist, zu denken „Du weißt eben nicht wie Museum funktioniert!“: Nehmen Sie Ihre Testleser*innen ernst! Sie stehen in diesem Moment stellvertretend für Ihre Besucher*innen. Selbstverständlich muss und kann man nicht jeden Kritikpunkt einarbeiten. Aber man kann und sollte dieser anderen, fachfremden Perspektive ihre Berechtigung einräumen und sie als Chance annehmen. Oft hilft es bei strittigen Stellen auch, die eigenen Widerstände hinterfragen.
7. Interne Richtlinie
In vielen Museen entspinnen sich entlang der Produktion von Ausstellungstexten immer wieder Diskussionen – sei es zum Umfang der Texte, dem Layout oder der inhaltlichen oder sprachlichen Beschaffenheit.
Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch jede Menge Nerven. Um solche, sich stetig wiederholende Aushandlungsprozesse abzukürzen beziehungsweise zu vermeiden, kann ein hausinterner Leitfaden äußerst nützlich sein. In diesem werden für alle Mitarbeiter*innen verbindliche Standards festgelegt – also Textmerkmale und -eigenschaften, die Ausstellungstexte aufweisen müssen.
Das schafft zum einen eine einheitliche Linie und bietet zum anderen viel Klarheit und Orientierung für die Mitarbeiter*innen, die mit der Textproduktion oder -überprüfung betraut sind.
Was genau die hausinternen Vorgaben für Ausstellungstexte alles als Standard definieren, muss jedes Museum individuell für sich entscheiden. Das kann sowohl stilistische und sprachliche Festlegungen als auch Leitlinien zur Text- und Schriftgestaltung oder der Textpositionierung betreffen.
Im besten Falle geschieht dies gemeinsam und im Einvernehmen mit den Mitarbeiter*innen. Denn sie müssen die Vorgaben später in der Praxis umsetzen.
8. Gute Texte brauchen Zeit
Ausstellungstexte – allen voran Wandtexte – unterliegen speziellen sprachlichen und formalen Regeln, die mitunter nicht leicht unter einen Hut zu bringen sind. Dadurch ist das Schreiben in den meisten Fällen deutlich zeitintensiver als bei anderen Textarten, die im Museum entstehen.
Planen Sie deshalb unbedingt genügend Zeit ein! Texten, die unter Zeitdruck entstanden sind und keine Zeit zum „reifen“ hatten, merkt man das oft an. Denn es braucht die Testleser*innen und Lektorat- und Korrekturschleifen, um Texten den letzten Schliff zu verpassen.
Und gerade bei Texten, die beim Schreiben besonders herausfordernd sind, hilft es erfahrungsgemäß, sie einfach ein paar Tage ruhen zu lassen und sich dann mit neuem Blick wieder ans Werk zu machen. Für das Ergebnis zahlt es sich auf jeden Fall aus, diese Zeit einzuplanen.^
9. Texte für alle!
Um möglichst auch Menschen, für die die klassischen Formate von Ausstellungstexten nicht funktionieren, weil sie sie nicht lesen oder verstehen können, einen Zugang zu den Inhalten von Ausstellungen zu ermöglichen, braucht es passende Angebote, die Teilhabe ermöglichen.
Daher empfiehlt es sich, zu überlegen wie beispielsweise Texte in Großdruck, einfacher Sprache und Leichter Sprache integriert werden können; aber auch wie Vermittlungsmedien in Braille-Schrift und Deutsche Gebärdensprache Zugänge schaffen können.
Aber auch die vorhandenen Wandtexte sollten auf ihre Zugänglichkeit geprüft werden.
Sind die Kontraste zwischen Text und Untergrund ausreichend groß?
Sind die verwendeten Schriften gut lesbar (Schriftart, Schriftgröße, Layout)?
Sind die Texte so angebracht, dass sie auch von Besucher*innen mit einer Augenhöhe, die unterm Durchschnitt von 160 cm liegt (z.B. Rollstuhlnutzer*innen), gut gelesen werden können?
Sind die Objekttexte und -kennungen gut zuordenbar?
Diese (selbst-)kritische Bestandsaufnahme erfolgt am besten in Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung. Als Expert*innen in eigener Sache kennen sie die Bedarfe und können wertvolle Hinweise geben.
10. Nachfragen lohnt sich!
Da die Verfasser*innen von Ausstellungstexten nur in den seltensten Fällen ein direktes Feedback von Besucher*innen erhalten, kann die Frage, wie die Texte bei den Adressat*innen ankommen, in der Regel nicht eindeutig beantwortet werden.
Diese Lücke können Publikumsbefragungen, die auch die Ausstellungstexte in den Blick nehmen, oder fokussierte Textevaluationen schließen. Das ist ohne Frage mit Aufwand verbunden. Aber die Mühe lohnt sich, denn die Erkenntnisse solcher Erhebungen sind enorm wertvoll. Und es gibt kaum andere Möglichkeiten jenseits vereinzelter, persönlicher Rückmeldungen, zu erfahren, ob die Texte den Besucher*innen gefallen, ob sie gut lesbar sind und verstanden werden.