Vision versus Reality – Ein Freilichtmuseum für Sachsens Mitte!?

Wir haben da was vor! Wir schaffen einen Kultur-, Erinnerungs-, Bildungs- und Erlebnisort für die Region und die Menschen in Sachsens Mitte. Für diese Idee engagieren sich in Wilsdruff und Umgebung Menschen, die in der Region etwas bewegen wollen. Wir sprechen mit einem von ihnen: Kay Arnswald aus Helbigsdorf, der als professioneller Zimmermann und Gutachter wie auch als passionierter Museumsmensch das Projekt über Jahre begleitet und geleitet hat.

Wir durften mitwirken an diesem Prozess und ein Rahmenkonzept für ein Museum in Sachsens Mitte erarbeiten. Neben den inhaltlich-musealen Überlegungen beinhaltet es eine Betrachtung zu Betrieb und Wirtschaftlichkeit, Leitlinien zu Bildung und Vermittlung sowie zu Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung. Im Ergebnis steht die Vision für ein Museum, das an den Schnittstellen zwischen musealer Arbeit, Denkmalpflege, informeller Bildung, bürgerschaftlichem Engagement und Soziokultur wirksam wird. Doch die Vision ist ja nur die eine Seite. Wie muss es nun weitergehen? Was braucht es für die Umsetzung eines solch ambitionierten Projektes?

 

Herr Arnswald, warum haben Sie sich überhaupt dieses dicken Brockens angenommen?

Foto: Kay Arnswald

Alles fing damit an, dass unsere Zimmerei gelegentlich damit konfrontiert war, historische Gebäude abzureißen - was schwer zu ertragen war. Wir begannen also, einzelne Bauteile zu sichern, Türen oder historisch besonders wertvolle Zeitdokumente. Und irgendwann hatten wir dann schließlich ein ganzes Gebäude geordnet zurückgebaut und „vorsichtshalber“ eingelagert, weil wir es nicht hinnehmen konnten, es einfach zu entsorgen und damit Geschichte und Ressourcen ganzer Generationen auf den Müll zu werfen. Und weil es nicht bei dem einen Gebäude geblieben ist, lag es nahe, einen Weg zu finden, die Gebäude auch wieder zu errichten.

 

Was sind die Themen, die die Menschen in ihrem Umfeld aktuell umtreiben? Welche Rolle könnten Museen da spielen?

Die brandaktuellen Themen wie die Energiekrise und der Europäische Konflikt sind vordergründig, jedoch tagespolitisch orientiert, oberflächlich und veränderlich. Tiefer verwurzelt und beständig sind Dauerthemen wie die Suche nach Heimat, nach einem Ort, an dem man sich wohl und zu Hause fühlt, nach einem Sinn, vielleicht einer Aufgabe in der Gesellschaft, nach "seinem Platz". Dies ist für mich ein Grund, sich mit Freilichtmuseen zu beschäftigen: Sie stellen soziale, ökologische und wirtschaftliche Gefüge der Vergangenheit dar. Frei nach dem Motto "Zukunft braucht Herkunft" können sie richtungsweisend für die Schritte in die Zukunft sein.

 

Können Sie vielleicht ein Beispiel geben, wie genau uns solch ein Freilichtmuseums-Thema für die Fragen der Zukunft nutzen kann?

Da gibt es verschiedene Aspekte.
In wirtschaftlicher Hinsicht kann man zum Beispiel lernen, wie eine regionale Versorgung historisch funktioniert hat. Gerade erleben wir, wie fragil das Konzept des globalen Handels ist. Ausfälle von existentiellen Lieferungen wegen Pandemie, Energiekrise oder politischen Unruhen zeigen, dass es Sinn macht, Erzeugerketten für den Grundbedarf zurück in die Region zu holen. Ausfälle von Südfrüchten, die selbstverständlich nicht hier erzeugt werden können, sind verkraftbar. Die Herstellung von Dingen des täglichen Bedarfs sollte jedoch nicht aus vermeintlichen Kostengründen auf dem gesamten Erdball verteilt werden.

Das Bedürfnis dazu ist in der Bevölkerung da - gefördert durch die aktuellen Krisen, aber auch durch ein wenig Sehnsucht nach der Milch vom Bauern nebenan, einem Produkt vom lokalen Handwerker bis hin zu den Früchten aus dem eigenen Garten. Die Tendenz zu Regional-Abteilungen in den Supermärkten, Erzeugervermarktung und die DIY-Bewegung zeugen davon.

Das Gleiche lässt sich auch auf sozialer Ebene feststellen. Während soziale Medien uns in Sekundenschnelle mit allen Menschen der Welt verbindet, ist der Wunsch nach persönlicher Nähe, nach tatsächlichen Freundschaften spürbar. Die Liste lässt sich fortsetzen: Interesse an Naturheilkunde, regionaler Kunst und Kultur, energetischer Unabhängigkeit usw.

In Freilichtmuseen wird dargestellt, wie diese Aspekte aus der Not bzw. dem Stand der Technik und Wissenschaft entsprechend in früheren Jahrhunderten funktionierten. Keineswegs soll dies zu einem Rückschritt animieren, jedoch zeigen, was möglich ist, was sich bewährt hat und wie regionale Vernetzung gelingt. Zu etwas Bescheidenheit und Nachdenken über die eigenen Konsumansprüche soll jedoch schon angeregt werden.

 

Für Ihr Herzens-Projekt „Freilichtmuseum Sachsens Mitte“ haben Sie und viele Partner*innen ja in den letzten Jahren intensiv gearbeitet. Was braucht es jetzt, damit es weitergehen kann? Welche nächsten Schritte sehen Sie als die wichtigsten?

 

Alle theoretischen Vorarbeiten und Hausaufgaben sind erledigt. Ein Konzept wurde erarbeitet und gleichzeitig Vorschläge für den Betrieb, für die pädagogische Arbeit und die Vermarktung. Ebenfalls wurde eine betriebswirtschaftliche Betrachtung für den Start und die ersten Jahre erarbeitet. Vielen Dank an dieser Stelle der Agentur für Museumsberatung und Ausstellungskonzeption INSEL+MEILE Museumskulturen!

Es steht weiterhin ein Standort fest, die Gemeinde bekennt sich zu dem Projekt und wird es mit einem kleinen Teil unterstützen. Es wurde ein Förderverein gegründet und eine bestehende Stiftung könnte sich den Betrieb vor Ort vorstellen. Mögliches Museumsgut wird fortlaufend akquiriert und eingelagert. Dazu zählen mittlerweile auch vier Häuser, die in Einzelteilen auf ihren Wiederaufbau warten.

 

Was fehlt dann überhaupt noch?

Das Bekenntnis zum größeren Teil der Finanzierung des täglichen Betriebes. Hier können wir nur den Freistaat in der Pflicht sehen, in der Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben und des aktuellen Koalitionsvertrages. Damit hat sich unsere Vereinsarbeit vom fachlich-praktischen Aspekt sehr zu einer politischen Lobby-Arbeit entwickelt, was nicht sonderlich befriedigend ist, aber unerlässlich. Ohne eine gesicherte Zukunft ist auch ein Start recht fraglich und damit alles bisher Geschaffene in Gefahr.

 

In der Zwischenzeit arbeiten Sie aber auch ganz praktisch ehrenamtlich weiter. Ein weiteres historisch wertvolles Gebäude konnten Sie mit Ihren Mitstreiter:innen sichern, indem Sie es am alten Standort abgebaut und gut geschützt eingelagert haben. Sie sind also nach wie vor motiviert?

Foto: Kay Arnswald

Ja, sicher. Als ich im Jahr 2017 die Machbarkeitsstudie für dieses Projekt erstellt habe, bin ich in vielen deutschen Freilichtmuseen gewesen und habe die LeiterInnen interviewt. Es gab einheitliche Fragen zur Geschichte und den Betrieb des jeweiligen Museums. Eine davon war nach der Zeitspanne von der Projektidee bis zur tatsächlichen Umsetzung. Der Durchschnitt aller Antworten ergab eine Vorlaufzeit von ca. 10 Jahren. Wir befinden uns also erst im Jahr 7 unseres Projektes und sind damit noch guter Hoffnung für die nächsten Schritte.

Mit dem Förderverein sind wir regelmäßig auf Exkursionen und schauen uns verschiedene Freilichtmuseen, auch in den Nachbarländern, an. Dabei sammeln wir Ideen und versuchen, von den Erfahrungen anderer Projekte zu lernen. Wenn wir dabei sehen, was mit etwas Mut und Hingabe geschaffen werden kann, motiviert das ungemein.

Ein weiterer „Motivator“ sind die vielen Meldungen aus der Umgebung, die wir regelmäßig bekommen. Die Leute erkundigen sich nach dem Stand, bieten Ausstellungsobjekte oder ihre Hilfe an. Auch das trägt dazu bei, nicht die Hoffnung zu verlieren.

 

Wenn Sie an diese Herausforderungen denken: Was sind Ihre drei Wünsche an eine gute Fee?

1. Wir haben gerade die Bauvoranfrage für das erste Gebäude gestellt und diese positiv beschieden bekommen. Nun versuchen wir, mit Hilfe einer Sonderförderung durch das Denkmalamt, das Projekt wirklich zu starten. Hier könnten wir Hilfe der guten Fee gebrauchen.

2. Zuspruch und Interesse in der Bevölkerung und auch bei den politischen Akteuren und Akteurinnen sind groß. Die gute Fee könnte dies in aktive Mitarbeit umwandeln.

3. Unser Förderverein ist ein recht junger Verein, mit derzeit nur einem Rentner unter den Mitgliedern. Lothar ermahnt uns regelmäßig, dass auch er noch die Früchte unserer Arbeit sehen möchte. Auch dafür hätte ich gern die gute Fee im Boot.

Haben Sie vielen Dank!

Wir sind und bleiben Fans dieses Projekts und auf jeden Fall dabei!


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Foto: Kay Arnswald