Die etwas andere Wanderausstellung
Wanderausstellung Bezirk Unterfranken
Ausstellungskonzeption, -gestaltung und -realisierung
Aus Unterfrankens Industriegeschichte ist die Bekleidungsindustrie nicht wegzudenken. Die Region ist seit Ende des 19. Jahrhunderts bekannt für ihre bedeutende Textil- und Modeindustrie, die bis in die Gegenwart reicht. Die neue Wanderausstellung „Was zieh ich nur an? – Unterfranken zwischen Trends und Tradition“ soll erstmals einen genaueren Blick darauf werfen. Im Dezember 2023 starteten wir ins Projekt.
Unser Anspruch: Eine nachhaltige, langlebige, inhaltsvolle und gleichzeitig ästhetische, aktivierende und möglichst barrierearme Ausstellung und ganz wichtig: BLOSS KEINE ROLL-UPS.
Unser Glück: Die Geschichte der Bekleidungsindustrie Unterfrankens ist nicht auserzählt. Etliche Designer*innen, Produzent*innen und Kleidungsgeschäfte sind heute noch und wieder in der Region Unterfranken beheimatet. So fiel es nicht schwer, auch die Gegenwart in unserer Ausstellung zu platzieren. Eine Auswahl an Designerinnen und Designern sowie Schneiderinnen und Herstellerinnen kommen in der Ausstellung sowie dem kostenfreien Begleitheft zur Ausstellung zu Wort und geben den Besuchenden einen Einblick in gegenwärtige Entwicklungen und Dynamiken der inländischen Modeindustrie.
Seit dem 24. Oktober 2024 ist die interaktive Wanderausstellung im Museum für Franken (Würzburg) zu sehen. Doch nicht nur zu sehen - Besucher*innen können selbst Hand anlegen. Es darf abgestimmt, geschmökert, gestopft, gerätselt und gestaltet werden.
Ab ins Modekaufhaus
Bei der Ausstellungsgestaltung geht es prinzipiell darum, Räume als Schauplätze von Ideen, Erzählungen und Begegnungen zu gestalten. In diesem konkreten Fall wird ein Museum für die Dauer von gut sechs Monaten in einen Fashion Store verwandelt.
Die Besuchenden betreten die Ausstellung und stehen zunächst in einem langen Gang, der aus Modulen gebildet wird. Die Grundform dieser Module orientiert sich an der Form klassischer Konfektionsständer, die jedoch mit einer stabilen und beidseitig tapezierten Platte ausgestattet sind. Den Besucher*innen blicken von den Modulflächen aus Gesichter in Lebensgröße entgegen. Vorgestellt werden hier gegenwärtige Designer*innen aus Unterfranken, die jeweils eine Leitfrage wie „Spricht deine Kleidung Dialekt?“ oder „Wie viel Überzeugung hängt in deinem Kleiderschrank?“ beantworten. Die direkte Ansprache der Besuchenden bietet ihnen einen leichten Einstieg in die jeweilige Thematik.
Spazieren sie um die Module herum, tauchen sie tiefer ins jeweilige Thema und dessen Leitfrage ein. Den Kern der Ausstellung bilden sechs Themenbereiche, die zwar das gleiche Prinzip – bestehend aus zwei sich gegenüberstehenden Modulen - aufweisen, aber in ihrem Aussehen jeweils dem Inhalt folgen und sich dadurch optisch stark voneinander unterscheiden - ähnlich den Marken-Präsentationsflächen in einem Modehaus.
Im Themenbereich selbst bietet jeweils eine Modulfläche Platz für Diskurse und interaktive Stationen, das gegenüberstehende Modul weist den Stationstext auf und dient der Auseinandersetzung mit dem themenbezogenen Objekt. Die in diesen Einheiten ausgestellten Exponate werden wie bei einem Fotoshooting vor einem Studiohintergrund in Szene gesetzt. Diese Hintergründe kommen – je nach Thema - mal trashig, mal glamourös, mal bodenständig daher. Für die Objektpräsentation wurden wie in Boutiquen Figurinen, Sockel und Tischvitrinen verwendet. Ziel war es, die Besucher*innen in die bunte Modewelt eintauchen zu lassen. Dirndlröschen haben hier genauso ihre Berechtigung wie holografische Elemente und Marmorflächen.
Doch auch die glänzende Industriegeschichte der Region findet in der Ausstellung ihren Platz: An zwei Modulen wird diese anhand von originalen Objekten wie beispielsweise Kleiderbügeln der größtenteils ausgestorbenen Unterfränkischen Kleiderfabriken erzählt. In den Schaukästen sind darüber hinaus Objekte wie eine Kleiderbürste oder eine Weste sowie Grafiken zu finden. Auf angenähten Waschzetteln sind die Geschichten der einzelnen Modehäuser nachzulesen.
Sich wiederholende Grafikelemente sorgen für Ruhe im Farb- und Materialmix und weisen ebenfalls einen Bezug zur Fashionwelt auf. Als wiederkehrende Ausstellungsbestandteile dienen zudem Farbtöne wie Peach Fuzz und Winter Sky, den Trendfarben des Jahres 2024. Wir haben sie bewusst eingesetzt, um zu zeigen, wie schnelllebig die Fashionwelt ist: nach der fünfjährigen Laufzeit der Ausstellung dürften sie längst überholt sein.
Im Sinne der Zugänglichkeit und Barrierefreiheit orientieren sich die Positionen der Stationstexte an der mittleren Augenhöhe. Alle anderen Textebenen (mit geringerer Schriftgröße) sitzen tiefer und sind auch für Rollstuhlfahrer*innen gut lesbar bzw. erreichbar.
Auf Nachhaltigkeit haben wir bei der robusten und langlebigen Konstruktion der Module gesetzt: die Tapete lässt sich einfach abziehen, so dass die Platten neu bespielt werden können, und auch die Studiohintergründe lassen sich austauschen. Die Module sind so für alle kommenden Ausstellungen nutzbar.
Teilweise konnten wir gebrauchte Möbelstücke erwerben, die wir umfunktioniert haben. Auf die in der Ausstellung gestellte Leitfrage „Reparierst du noch oder upcycelst du schon?“ können wir eindeutig mit „Ja, das tun wir!“ antworten.
Konzeption + Gestaltung: INSEL + MEILE Museumskulturen
Grafik: srw studio
Gesamtrealisierung: INSEL + MEILE Museumskulturen